Meerjungfrau nimmt Berührungsängste
Neuntklässler des Martin-Luther- Gymnasiums und Schüler der Regenbogenschule studieren ein Theaterstück ein. Sie haben einen kompetenten Partner.
Von Sylvia Jentzsch
Im Gang zwischen den Kirchenbänken kommt das Meer angewabbelt und findet erst im Altarraum seine Ruhe.
Unter den hauchdünnen Kunststoffplanen bewegen sich Schüler des Martin-Luther-Gymnasiums Hartha und der Regenbogenschule Döbeln. Sie studieren mit Stephan Bestier und Katharina Landsberg, den beiden Leitern des Jugendtheaters des Mittelsächsischen Theaters (MIT), das Theaterstück von der kleinen Meerjungfrau ein. Dabei handelt es sich um ein Projekt des Sozialpraktikums der neunten Klassen des Gymnasiums, das federführend von den beiden Lehrerinnen und Projektkoodinatorinnen Sophie Melzer und Ulrike Hansch organisiert wurde. Das Theaterprojekt hat eine langjährige Tradition. Zum ersten Mal arbeiten das MIT und die beiden Schulen gemeinsam an diesem Projekt. Zu spüren ist die Professionalität. „Wir haben die Idee für das Stück mitgebracht und es mit Rusalka, der Oper von Antonín Dvořák, zusammengefügt. In dieser geht es auch um Nixen und Wassergeister“, so Stephan Bestier. Wie das Stück umgesetzt wird und welche Texte vorgelesen werden, wurde mit den Schülern gemeinsam erarbeitet. „Wir haben überlegt, was sie mit dem Stück verbinden, welche Themen dazu passen. So sind die Szenen und Texte entstanden“, sagte Stephan Bestier. Er habe das Gefühl, dass bereits nach dem ersten Tag ein gutes Miteinander in der Gruppe, es keine Hemmschwellen mehr zwischen Gymnasiasten und Förderschülern, die ein Handicap haben, gab. Der Umgang miteinander sei vorsichtig und achtsam. Wenn es ein Problem gebe, würde das gemeinsam gelöst, so Katharina Landsberg. So gebe es zum Beispiel eine Gruppe mit Förderschwerpunkt. Diese befasst sich vor allem mit Bewegung und dem Maskenspiel. Gehe da mal was schief, würden die beiden Gymnasiastinnen das sofort ausgleichen. Für die beiden Theaterleute ist es das erste Projekt dieser Art seit ihrem Amtsantritt beim MIT.
Für Liam Daniel (14) ist es nicht das erste Mal, dass er auf der Bühne steht. In der Apfelbaum-Grundschule in Schweta sei das öfter der Fall gewesen. Jugendliche mit einem Handycap kannte er bisher nicht. „Ich bin überrascht. Einigen ist die Behinderung kaum anzumerken. Wenn man ordentlich mit ihnen spricht, kommt auch etwas zurück“, sagte Liam Daniel. Mit dabei ist auch Philine Haberecht. Auch sie hat bereits Bühnenerfahrungen in der Gersdorfer Grundschule gesammelt. Sie findet, dass das Stück gut ausgewählt worden ist, da viele Themen, die zurzeit aktuell sind, integriert werden können. Das ist zum Beispiel der Müll in den Gewässern. In der Pause sitzen dann alle zusammen an Tischen. Sie zeigen sich auf dem Handy, wo sie wohnen. Manche kommunizieren auch mithilfe der sozialen Medien am Nachmittag miteinander.
Jeslisejs Novojevski aus Lettland, der zurzeit als Austauschschüler am Gymnasium ist, findet das Theaterprojekt spannend und interessant. So etwas gebe es an seiner Schule zu Hause nicht. Die Zusammenarbeit mit Schülern mit einem Handicap sei eine neue und schöne Erfahrung. Bereits zum vierten Mal ist Rares Marian Gornoava (17) beim Theaterprojekt dabei. Dafür hat er extra sein Praktikum unterbrochen. „Es macht mir viel Spaß und Freude, hier mitzumachen“, so der 17-Jährige. Einem anderen Jungen der Förderschule gefällt, dass einige Darsteller Masken tragen können. Am Freitag haben die Schüler ihren großen Auftritt. Am Vormittag präsentieren sie das Stück von der kleinen Meerjungfrau den Schülern und um 17 Uhr dürfen alle zuschauen, die Interesse haben. Das Theaterprojekt ist nur eines von vielen Puzzleteilen des sozialen Praktikums. So waren Gymnasiasten auch an Grundschulen, bei der Tafel, bei der Stadtverwaltung Waldheim oder direkt in der Regenbogenschule in Döbeln im Einsatz. Im Atelier in der Hartharena stellten die Schüler beider Schulen einen Trickfilm her.
Foto: Rares Marian Gornoava ist Schüler der Döbelner Regenbogenschule. Gemeinsam mit Gymnasiasten und Künstlern des Mittelsächsischen Theaters wurde ein Stück
einstudiert. Lars Halbauer
DA, 11.11. 2022
Die Trickfilme aus dem Sozialpraktikum finden sie unter: