Harthaer 1,0-Abiturient: „Ich war selbst von dem Durchschnitt überrascht“

Mit seinem Abitur-Abschluss stehen Tim Köhler vom Hathaer Martin-Luther-Gymnasium alle Türen offen. Weshalb für ihn dennoch kein Medizin-Studium infrage kommt.

Von Lea Heilmann

Jedes Jahr schaffen es in der Region Döbeln nur ein paar Schüler, mit einem perfekten Abschluss von 1,0 die Schule zu verlassen. Da kann sich nun auch Tim Köhler vom Martin-Luther-Gymnasium Hartha einreihen.

Der 18-Jährige war der Einzige an seiner Schule, der in diesem Jahr den Durchschnitt erreicht hat. Von seiner Note war Tim selbst überrascht, wie er lachend zugibt. „Mein Ziel war eher so eine 1,4. Aber dann ging es Schlag auf Schlag und ich habe ganz schön gestaunt“, erzählt er.

Seine Leistungskurse waren Deutsch und Englisch. In beiden Fächern plus Mathematik wurde er schriftlich geprüft, in Geschichte und Religion mündlich. Prüfungsangst hatte er kaum gehabt. „Außer in Mathe, da hat meine Hand am Anfang so gezittert, dass ich nicht schreiben konnte“, gibt er zu.

Nicht der typische „Streber“
Als den typischen „Streber“ würde sich Köhler nicht bezeichnen: „Ich habe jetzt nicht schon fünf Monate vorher mit einer festen Lernroutine angefangen“. Für seine beiden Leistungskurse habe er sich eine Woche lang vorbereitet. Für Geschichte auch, da jedoch jeden Tag acht Stunden.

Seit einem Monat ist der Abiturient offiziell mit seinen Prüfungen durch. Die Zeit bis zur Notenverkündung war für ihn entspannt. Ein Grund dafür war auch, dass die Noten der mündlichen Prüfungen direkt im Anschluss mitgeteilt wurden.

„Die sind perfekt gelaufen, da war mir der Rest eigentlich egal, denn ich hatte mein Ziel schon erreicht“, sagt er. Insgesamt hat der Schüler einen Schnitt von 14 Punkten – 15 gibt es maximal in der Abiturstufe.

Partys mit den Klassenkameraden
So richtig realisiert, dass die Schulzeit vorbei ist, hat der 18-Jährige noch nicht. Gerade fühle es sich an wie jeden Tag hitzefrei. Die Gewissheit komme dann wahrscheinlich zum Abiball. „Wir waren seit der fünften Klasse zusammen, das wird dann bestimmt ein bisschen schwierig“, vermutet er.

Vermissen wird Tim die täglichen Begrüßungen von seinen Freunden, wenn sie „Hey Timmy“ durch die Klasse brüllen, sobald er den Raum betritt. Und die Gespräche mit dem Tischnachbarn im Unterricht. „Ich hab richtig viel gequatscht“, verrät er und ergänzt: „Das würde man wahrscheinlich auch nicht denken, wenn man den Notenschnitt hört.“

Die schönsten Momente, an die er sich erinnert, fanden vor allem außerhalb der Schulzeit statt. Die ersten Partys und Discobesuche erlebte er mit seinen Klassenkameraden. Nun heißt es auch von denen Abschied nehmen, zumindest teilweise.

Für das Studium nach Leipzig
Ein paar von ihnen zieht es nach Dresden und Leipzig. Viele gehen auch ins Ausland, von Neuseeland bis nach Dänemark. Auch Tim hatte damit geliebäugelt, nach Kanada zu gehen, sich dann aber doch dazu entschieden, direkt studieren zu wollen.

„Ein Studium auf Staatsexamen zieht sich und ich wollte direkt anfangen, um gut durchzukommen“, erklärt er seine Entscheidung. Der 18-Jährige hat sich für Rechtswissenschaften an der Universität Leipzig beworben.

Tim freue sich auf das Studium, hat aber auch großen Respekt davor. „Ich habe Angst, dass es mich ein bisschen erschlägt und die Leistung erst mal sinkt“, sagt er und überlegt kurz bevor er mit einem Lachen weiterspricht: „Das muss mein Ego dann auch erst mal abkönnen“.

Er erzählt, dass viele gefragt haben, warum er denn mit seinem Abschluss nicht Medizin oder Psychologie studiere. „Durch Physik und Chemie habe ich mich durchgequält. Damit fällt Medizin schon mal raus“, erklärt er. Psychologie habe ihn lange interessiert, aber auch mit einer 1,0 sei es nicht sicher, ob er genommen wird und der Arbeitsmarkt später sei voller Konkurrenz.

Tim ist Realist, das sagt er von sich selbst. Jura interessiere ihn und er wolle etwas machen, womit er die Gesellschaft ändern kann. Aber wenn die Zukunft sicher sein würde, dann hätte er sich wohl für kreatives Schreiben entschieden.

49 Schüler und Schülerinnen des Harthaer Martin-Luther-Gymnasiums sind bei Prüfungen angetreten, 47 haben bestanden.

16 Abiturienten haben einen Notendurchschnitt, der besser als 2,0 ist.

Insgesamt erreichte der Jahrgang einen Durchschnitt von 2,27.

Bild: Tim Köhler hat sein Abitur mit einem Schnitt von 1,0 bestanden. Davon war er selbst überrascht.Foto: Dietmar Thomas

DA, 03.07.2023